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Jeder hat sie schon einmal gesehen – an-

gesprayte Züge oder Hauswände. Viele von

uns empfinden diese Malereien als eine Be-

schmutzung und Sachbeschädigung, wäh-

rend die Sprayer selbst sie als Kunst be-

trachten.

So auch der 16jährige Tom und seine Freunde,

die regelmäßig in der Nacht durch die Gegend zo­

gen und sich neue Flächen suchten, die sie ver­

schönern wollen. Sie hatten sich im Süden der

Stadt verabredet, denn dort befand sich ein leer

stehendes Internat. Die Rückseite der Turnhalle

hatten sie bereits mit Bildern und ihren Kürzeln

besprüht. Bisher hatten sie immer Glück, nicht

von der Polizei erwischt worden zu sein.

Als illegaler Sprayer macht man sich nach § 303

Abs. 2 Strafgesetzbuch (StGB) wegen „Verän­

derns des Erscheinungsbildes einer Sache“ straf­

bar. Jegliches, nicht nur unerhebliches Verän­

dern fällt hierunter. Daneben kann eine Straf barkeit wegen „gemeinschädlichen Veränderns

des Erscheinungsbildes einer Sache“ nach § 304

Abs. 2 StGB entstehen, wenn ihr eine Sache be­

malt habt, die dem öffentlichen Nutzen diente

und nun nicht mehr dienen kann.

Aber diesmal sollte das Schicksal den Freunden

nicht wohlgesonnen sein. Bewaffnet mit verschie­

densten Farbsprühdosen und Aufsätzen beginnen

sie ihre Arbeit. Circa eine Stunde später fährt ein

Streifenwagen der Polizei auf das Gelände. Ein

Spaziergänger hatte die Gruppe beim Betreten

des Geländes gesehen und darauf die Beamten

informiert. Tom und seine Freunde laufen in alle

Richtungen los, doch Tom wird von den Beamten

eingeholt und abgefangen. Die Beamten nehmen

ihn mit auf das nahegelegene Revier. „Sie wissen

schon, dass Sie sich der Sachbeschädigung und

des Hausfriedensbruchs strafbar gemacht ha­

ben?“, fragte der Beamte Tom.

Der § 123 Abs. 1 StGB legt folgende gesetzliche

Regelung fest: Wer in die Wohnung, in die Ge­

schäftsräume oder in das befriedete Besitztum

eines anderen oder in abgeschlossene Räume,

welche zum öffentlichen Dienst oder Verkehr

bestimmt sind, widerrechtlich eindringt, oder

wer, wenn er ohne Befugnis darin verweilt, auf

die Aufforderung des Berechtigten sich nicht

entfernt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem

Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

Auch wenn das Gebäude leer und verlassen ist,

hat es einen Eigentümer. Das war Tom nicht be­

wusst. Der Polizeibeamte versuchte, ihm klarzu­

machen, dass ihn nun eine Anzeige erwarte. Ne­

ben der strafrechtlichen Verfolgung muss der

entstandene Schaden durch den Verursacher be­

glichen werden. Und wer sich jetzt denkt, dass

man als minderjähriger Jugendlicher vielleicht

Glück hat und die Frist bis zum ersten richtigen

Gehalt abgelaufen ist, liegt falsch. Diese Scha­

densersatzforderungen inklusive eintreibbarer

Verfahrenskosten, Anwaltskosten, Zinsen, Mahn­

gebühren, Gerichtsvollzieherkosten für ein sol­

ches Delikt verjähren erst nach dreißig Jahren.

Und so bekam Tom einige Wochen später die Ein­

ladung zu einem gerichtlichen Verfahren. Da die

Staatsanwaltschaft nichts von seinen weiteren

Vergehen wusste, belief es sich bei seiner Bestra­

fung lediglich auf eine Verwarnung.

Das Gesetz sieht vor, dass jugendlichen Tatver­

dächtigen zwischen 14 und 21 Jahren nach dem

Jugendgerichtsgesetz folgende Strafen drohen:

• Erziehungsmaßregeln (§ 9 JGG) in Form von

Weisungen (Gebote und Verbote) oder Erzie­

hungshilfen (Erziehungsbeistand)

• Zuchtmittel (§ 13 JGG) durch Verwarnungen,

Auflagen (Wiedergutmachung, Entschuldigung,

Arbeitsauflagen, Geldspende) oder Jugend,

Freizeit, Kurzbzw. Dauerarrest (bis 4 Wochen)

• Jugendstrafe (§ 17 JGG) in der Jugendstraf­

anstalt (sechs Monate bis fünf Jahre)

Bei der zivilrechtlichen Klage kam Tom nicht ganz

so glimpflich davon. Ihm wurde vom Gericht auf­

erlegt, den entstandenen Schaden sowie die Re­

paraturkosten in Höhe von 5.000 Euro zu beglei­

chen. (jrh)

Es war einmal …

eine Rechtsgeschichte

Du bist doch noch jung, was hast du schon mit rechtlichen Dingen zu tun? Mehr, als du denkst. Das zeigen dir WiYou und

das Jugendrechtshaus Erfurt mit den Rechtsgeschichten. Diesmal geht’s um ein Thema, bei dem viele eher an

jugendliche Streiche und weniger an echte Straftaten denken: Graffitis. Die bunten Bildchen können an

einer dafür freigegebenen Fläche für Sehvergnügen sorgen, an anderer Stelle aber auch für richtig Ärger.

WiYou . Wirtschaft und Du . Ausgabe 52016

Foto: VIDEOEDITOR4U/fotolia